Donnerstag, 16. Januar 2014

"STRASSENBEKANNTSCHAFTEN AUF ST. PAULI" (1968) Review




Trotz anlockendem Titel ein recht ernüchternd-manierlicher St. Pauli-Krimi, der im Vergleich zum Rolf-Olsen & Ernst-Hofbauer-Output keine Energie und Lust für die Darstellung der verruchten, sexy Unterwelt aufbringen möchte. Stattdessen erleben wir die Ausbeutung eines 18-jährigen Mädels, das immer tiefer in die Spirale der Gauner-Tristesse gerät, wovon ihre blass-steife, doch im Auge des Films richtig liegende Mutti von der Sitte sie ja auch durchweg warnt: Es fängt mit dem Rauchen und Bikinis an, da sind Mord und Misshandlung nicht weit.


So hebt sich dann der erzkonservative Moralfinger in überschwängliche Höhen und lässt folglich nicht mal zu, dass man als Zuschauer überhaupt was besonders Aufregendes zu sehen bekommt: die Brüste bleiben meist verdeckt und bei den Shootouts geht keiner drauf. Klar, die Gangster quatschen alle halbwegs zynisch-unmoralisch daher und pflegen einen backpfiffigen Umgang mit Frauen (die natürlich allesamt als absolut wehrlos dargestellt werden), aber eine richtige Bedrohung wird nie draus gemacht.

Paart man das alles noch mit der durchweg lieblos-schablonenhaften Charakterzeichnung aller Figuren: schon macht sich der Film furchtbar langweilig - Schade. Ich kann ja verstehen, dass die Unterwelt keinesfalls ein Zuckerschlecken ist und man diese als solche ruhig mal derbe darstellen kann. So wie dieser Film aber Sexualität strengstens dämonisiert und abendländischen Anstand propagiert, anstatt für irgendwas tatsächlich Verständnis aufzubringen, wenn er sich schon ernsthaft und ehrlich mit dem Thema befassen will - tja das entbehrt jeder Sympathie für das Milieu, wirkt unangenehm-hasserfüllt, starrköpfig-feige und geht mir voll auf den Wecker.


Wundert mich aber kaum, dass der Streifen keinerlei Bock hat, den Sex mit offenen Armen zu empfangen. Schließlich machte sich Regisseur Werner Klingler (sein letzter Film hier übrigens) nach einer langen Karriere als internationaler Schauspieler schon bei den Nazis einen Namen, u.a. indem er den Propagandafilm 'Wetterleuchten um Barbara' (1941) inszenierte und Goebbels anti-englischen 'Titanic' (1943) zuende drehte, nachdem der Originalregisseur Herbert Selpin wegen negativer Äußerungen zur Wehrmacht verhaftet wurde und sodann im Gefängnis 'Selbstmord' beging.

In der Nachkriegszeit profilierte er sich sodann mit Filmen wie 'Razzia' (1947), 'Spion für Deutschland' (1956) und 'Blitzmädels an die Front' (1958), den das Lexikon des internationalen Films als „politisch und moralisch fragwürdigen Kriegsfilm in vorgeblich dokumentarischem Stil.“ bezeichnet. Ich glaube, solche Titel sprechen für sich und sein Bild von 'St. Pauli' passt da ganz gut rein: spießig-mutloser Vorsichts-Mief.

Ein paar positive Aspekte zum Film möchte ich aber auch nicht vorenthalten: so bekommen wir in der Hauptrolle niemand geringeren als Synchronlegende Rainer Brandt zu sehen, der als schmieriger Erpresser-Fotograf und Kollegenschwein immer absolut herrlich zwischen charmantem Nice-Guy-Talk und knallharter Räuden-Schnauze hin- und herpendeln kann, während er eine kaum wiedererkennbare Dagmar Lassander als Spielball krimineller Machenschaften im verdorbenen Puff-Jargon umherschiebt - wer da nicht spurt, wird gewürgt. Wenn der Film einen distanzierteren Unterhaltungsfaktor innehätte und moralische Objektivität/Ambivalenz versuchen/vortäuschen könnte (wie eben Olsen oder Hofbauer), würde seine Performance fast schon richtig Spaß machen. In diesem biederen Kontext bleibt er letztendlich aber nur der klischeehafte Böse von der Stange.

 
Positiv hervorzuheben wäre allerdings noch Jürgen Feindts Rolle des homosexuellen Puff-Arbeiters Jensen, der zwar mit diffamierenden Ausdrücken zugeschüttet wird, allerdings nie homophobe Klischees an den Tag legt und sogar, als einer der wenigen verdient rechtschaffenen Figuren des Films, der Polizei bei der Lösung des Falls helfen will, nachdem sein Chef Radebach (Reinhard Kolldehoff) umgebracht wurde, da er dadurch "einen guten Freund verloren" hat. Dass er am Ende trotzdem abgeschossen wird, ist dann zwar auch irgendwo bitter, aber immerhin wurde er da von den Bösen umgebracht - der Beigeschmack dieser ultimativen "hättest dich mal lieber nicht mit dem Gesindel eingelassen - das ist nun deine Strafe"-Mentalität schlägt mir dennoch irgendwie echt sauer auf.

 
Im Endeffekt bleibt 'Straßenbekanntschaften auf St. Pauli' ein zweckmäßiger, routinierter Krimi (einen Krimi-Reißer würde ich den nämlich nicht nennen, so verschnarcht er sich durch das hier besonders verurteilend wirkende Schwarz & Weiß bewegt), der zwar einigermaßen schickes Lokalkolorit und eine halbwegs aufregende Darsteller-Belegschaft vorzuweisen hat, aber nichts Packenderes damit anzufangen weiß, als sich im kleinbürgerlichen Angst-vor-der-Unterwelt-Konservativen-Mief zurechtzufinden. Und das im Entstehungsjahr 1968. Da steht der Film wohl ganz klar NICHT auf der Seite der gesellschaftlichen 'Revolution', erst recht was den Sex betrifft. Zum Kotzen.

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